Zustände wie im Regenwald?

Große, lärmende Holzerntemaschinen, tiefe Spurrillen und breite, abgeholzte Schneisen. Bei diesen Bildern denkt man normalerweise an den Regenwald. Wenn ich so etwas vom Regenwald sehe, beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Aber das gibt es nicht nur draußen in der Welt, sondern auch vor unserer Haustüre. Wenn ich so etwas bei uns sehe, beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Ich frage mich: Hält der Wald das aus? Bleibt das ohne Folgen? Auf diese Fragen wollte ich schon lange Antworten und das Gefühl, das nur ein Gefühl ist, wollte ich mit wissenschaftlichen Fakten entweder widerlegt oder bestätigt wissen. Deshalb habe ich mir im Haus zur Wildnis den Vortrag von Prof. Dr. Axel Göttlein von der der TU München zum Thema: „ Holznutzung im Bayerischen Wald – Am Rande der Nachhaltigkeit?“ angehört.

nachhaltig

Zunächst erläuterte Axel Göttlein den Begriff der Nachhaltigkeit, der vor Jahrhunderten vom Forst eingeführt worden ist. Damals ging es in der Waldwirtschaft nur um ökonomische Aspekte. Das bedeutet, dass nur so viel Holz entnommen wird, wie wieder nachwächst. Zwischenzeitlich wurde der Begriff um ökologische (Erhalt der biologischen Vielfalt, Wald als Wasserspeicher) und soziale Aspekte (Wald als Erholungsraum) erweitert. Wenn man auch manchmal den Eindruck gewinnen kann, dass der ökonomische Aspekt im Vordergrund steht.

Weiter ging es mit der Vergangenheit. Es war schon immer so, dass man vom Wald nicht nur das Holz nutzte. Aus dem Wald wurde früher Laub zum Einstreuen im Stall und Reisig zum Einheizen genutzt. Damit entzog man dem Wald Nährelemente (Magnesium, Calcium, Kalium und Phosphor). Und auch heute entzieht man ihm wieder Nährelemente. Was ist damit gemeint? Dazu ein Ausflug in die Holzernte. Es gibt verschiedene Formen der Holzernte: Man kann nur den Stamm (Derbholz) ernten, oder den Stamm mit Rinde oder den Vollbaum, also Stamm mit Rinde und Krone (damit sind Äste, Blätter und Nadeln gemeint). Interessant war in diesem Zusammenhang, dass der Stamm mit Rinde (ich glaube das Beispiel bezog sich auf die Fichte) gegenüber der reinen Stammernte nur 8 % mehr Biomasse bringt (z. B. für Hackschnitzel), aber dafür 69 % mehr Nährstoffe exportiert werden. Holt man den kompletten Baum raus sind das 30 % mehr Biomasse und 416 % Nährstoffentzug!!!

Welche Folgen hat die Vollbaumernte für Wälder auf nährstoffarmen Böden (wie im Bayerischen Wald)? Bei einer angenommenen Umtriebszeit der Fichte von 110 Jahren wäre das Calcium nach spätestens 10 Pflanz-Generationen aufgebraucht. Aus dem felsigen Boden verwittert nicht so viel Nachschub, als dass der Nährstoffexport ausgeglichen werden könnte. Man hat errechnet, dass nach Vollbaumernte die nachfolgende Baum-Generation je nach Baumart und Standort um 13 bis 25 % schlechter wächst. Diesen Minderwuchs müsst man ehrlicherweise in die Holzrechnung einrechnen. Macht aber niemand.

Jetzt könnte man sagen, dass man der Nährstoffarmut mit Düngen begegnen könnte. A. Göttlein erklärte, dass die künstliche Düngung die natürliche nicht ersetzen kann. Bei der Verrottung laufen viele chemische Prozesse ab. Diese Schritte fehlen bei der künstlichen Düngung. Als Beispiel hat er irgendetwas mit Kalium gesagt, dass das bei der künstlichen Düngung durchrauscht und somit für den Boden großteils verloren ist. Das Nährelement Phosphor bezeichnete A. Göttlein als das Mangelelement der Zukunft. Seit 2007 ist der Preis dafür stark angestiegen.

Natürlicher Dünger

Noch ein paar Worte zu einem anderen Düngemittel: Dem Stickstoffeintrag aus der Luft. Stickstoff war früher ein Mangelelement im Wald, heute gibt es einen Überschuss. Er entsteht u. a. durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Benzin oder Kohle und über die Landwirtschaft. Und da wir Menschen fleißig dieses Umweltproblem produzieren, wird der Wald mit Stickstoff gedüngt, ob man will oder nicht. Man könnte jetzt argumentieren, dass der Baum mit viel Stickstoff gut wächst. Leider funktioniert diese Rechnung wieder nicht, weil die anderen Nährelemente fehlen. Außerdem: Zuviel Stickstoff gelangt als Nitrat ins Grundwasser. Und dann wird irgendwann Nitrit daraus (fragen Sie mich nicht nach den genauen chemischen Zusammenhängen). Allerdings: Im Nationalpark ist Stickstoff noch kein Problem. A. Göttlein meinte dazu nur, dass dieses Umweltproblem den Nationalpark auch in einigen Jahrzehnten einholen wird. Das ist dann kein spezielles Nationalpark-Problem, sondern ein Umweltproblem, das es woanders schon lange gibt.

Was kann man gegen den Nährelementemangel tun? Je nach Baumart ist die Nährstoffverteilung im Baum unterschiedlich. Buchen haben viele Nährelemente in der Rinde. Den Baum im Wald zu entrinden ist technisch sehr aufwendig. Bei den Fichten sind es die Nadeln, die sehr nährstoffreich sind. Deshalb könnte man die Bäume nach dem Umsägen eine Weile liegen lassen, bis die Nadeln von alleine abfallen, so dass dadurch wieder Nährstoffe in den Waldkreislauf gelangen.

Was kann man noch tun?

Der Staatsforst geht mit „gutem“ Beispiel voran.

Wenn man mit großen Holzerntemaschinen unterwegs war und die Rückegassen bodenschonend mit Ästen abgedeckt wurden, dann sollte der letzte Arbeiter die Äste mit dem Greifer wieder links und rechts von der Gasse verteilen, damit die Nährstoffe verteilt werden. Das hat auch den Vorteil, dass es zur Humusbildung beiträgt. Humus, aus dessen Mineralstoffen und Wasserspeicher sich die Bäume ernähren. Je nährstoffärmer der Boden ist, desto wichtiger ist die Humusauflage für die Nährelementespeicherung. Im natürlichen Kreislauf bleiben Nährstoffe bis auf einen kleinen Anteil Nährelemente, die durch Sickerwasser abfließen, erhalten. Wird der Wald „besenrein“ hinterlassen, um „Reste“ (Kronen, Äste) wirtschaftlich (z. B. als Hackschnitzel) zu nutzen, kann sich logischerweise kein Humus bilden mit den bekannten Folgen. Deshalb sollte man den Wald nicht „besenrein“ zurücklassen.

Könnte man der Nährstoffarmut  mit Asche, z. B. vom Holz- oder Kaminofen? begegnen? Weil Asche konzentrierter Nährstoff ist? Würde man damit dem Wald nicht seine Nahrung zurückgeben? Falsch. Asche hat einen ph-Wert von 13, was viel zu hoch und für Bodenlebewesen wie den Regenwurm tödlich ist. Außerdem sind die Nährstoffe in der Asche irgendwie nicht so löslich. Deshalb gehört Asche noch in die Abfalltonne. Aber A. Göttlein arbeitet an der Wiederverwendung…

Übrigens hat der Wald neben der Nährstoffarmut auch mit der Klimaerwärmung zu kämpfen. Vor allem die Fichte ist davon betroffen. Wer heute eine Fichte (z. B. im Lallinger Winkel) pflanzt, hat nur eine zu 50 % eine Chance, dass der Baum 110 Jahre alt wird. Die Fichte mag es nämlich kuschelig kalt und nass und nicht warm und trocken. Noch ist sie in den Hochlagen der richtige Baum, aber in tieferen Lagen sollte man über einen standortgerechten Mischwald nachdenken. Ob man Buchen, Tannen, Kiefern oder andere Bäume pflanzen soll, lässt sich nicht pauschal sagen. Dazu muss man wissen, wo man ist.

Um die Frage noch zu beantworten, ob Holznutzung noch nachhaltig ist: Es kommt darauf an… Darauf, wo und wie man Waldwirtschaft betreibt. Ist man im Bayerischen Wald mit seinen kargen Boden aus Gneis und Granit ist die Bilanz schlecht, ist man im Gäuboden mit seinen nährstoffreichen Böden ist es fast egal, wieviel vom Baum man erntet. Im Bayerischen Wald führt die Vollbaumernte an eine kritische Grenze. Der Nährstoffexport  kann nicht durch Eintrag gedeckt werden. Um mit den Worten von Axel Göttlein zu schließen: „Energiebündel machen reiche Väter und arme Enkel.“ Letztendlich muss aber jede/r selber wissen, wie er mit seinem Wald umgeht.

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